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Erlebnisse in der Natur

Auch “Tierschützer, Tierrechtler” und Jagdgegner sind Fleischfresser!

Von Michael Lehner

Waren das Zeiten: Die Verwandtschaft freute sich über einen Hasen nach der Treibjagd. Logisch im Fell, den Kopf noch dran und blutig. Später wollten Freunde, die mit der Jagd nichts im Sinn haben, so was nicht einmal geschenkt. Nicht wegen der Arbeit, sondern wegen der Nähe zum Tod, die offenbar wird, wenn so ein Hase nicht in bratfertigen Stücken daher kommt, abgepackt in Folie, möglichst mit Haltbarkeitsdatum und Herkunft.

Meine Kinder sind noch mit der „Roten Arbeit“ aufgewachsen. Für sie ist es völlig normal, dass nach einer Herbstjagd erst mal Schlachten angesagt ist. Sie standen dabei, manchmal mit einer Wurstsemmel in der Hand. Bis heute wissen sie: Fleischessen ist eine Sache, die mit Blut zu tun hat und mit dem Sterben. Aber ihre Unbefangenheit ist nicht mehr so wie früher. Das begann, als eine Lehrerin den Vater solcher Kinder einen Mörder nannte, vor der ganzen Klasse. Jahre später, auf einem Schießstand, fragte meine Theresa, ob sie Tiere töten muss, wenn sie auch mal schießen will. Als ich verneinte, nahm sie das Gewehr und traf noch besser als ihr Bruder, dem kein Lehrer dieser Welt die Jagdlust austreiben konnte. Und da ist noch meine Große, geistig behindert, aber durch und durch normal. Die Nacht, in der uns ein Elch vors Auto lief, werde ich nie vergessen: Der kleine Bulle trollte– offenbar unverletzt – davon. „Dann können wir ihn nicht essen“, grummelte Julia, offensichtlich sehr enttäuscht.

Julias große Freude ist gutes Essen, das ist ihr auch anzusehen. Sie weiß im Gegensatz zu vielen kerngesunden Leuten, dass Tod und Hasenbraten eine Einheit sind, seit Menschen denken und zur Jagd gehen und Schweine halten. Für sie ist das so selbstverständlich wie der Umstand, dass der Nacht ein Sonnenaufgang folgt.
Alle meine Kinder können Blut sehen. Sie können helfen, wenn andere Menschen bei einem Autounfall wie gelähmt herumstehen. Sie haben kein Angstproblem damit, Sterbende auf der Intensivstation zu besuchen. Und sie trauern dabei nicht weniger als Menschen, die all das nicht ertragen wollen. Das stärkt meine Überzeugung, dass die Menschen nicht mitmenschlicher werden, wenn sie zunehmend den Tod verdrängen. Vermutlich ist das Gegenteil der Fall. Jagd ist aus meiner Sicht eine leider immer kleiner werdende Schnittstelle zur Realität von Natur und Menschsein. Dass Jagdgegnerschaft und Fleischkonsum zugleich ansteigen, ist paradoxe Realität. Insofern sollten Jäger die Vegetarier respektieren – sie machen sich zumindest Gedanken und haben eine höchst persönliche Konsequenz gezogen. Aber Respekt ist eine Tugend, die der Gegenseitigkeit bedarf. Zum Beispiel die Einsicht, dass Jagd auch zu den logischen Konsequenzen kollektiven Unverstands gehört: Immer mehr Mais- und Rapsanbau zum Beispiel lösen zwar langfristig kein Energieproblem, sorgen aber für explosionsartige Vermehrung der Sauen. Kommt dazu noch der menschgemachte Klimawandel wird der Ruf nach den Jägern auch in urbanen Gesellschaften laut, die Jagd so gern als Mord diffamieren.
Der Irrtum ist verbreitet, dass Jäger gerne töten. Obwohl sie doch nur gerne Beute machen in ihrer archaischen Überzeugung, dabei ihrem Urinstinkt zu folgen – und die Mitgeschöpfe dabei mehr zu achten als die meisten Fleischtheken-Kunden und Konsumenten. Wir Jäger wissen, wo unser Braten herkommt. Wir töten nicht aus Leidenschaft, aber durchaus im Reinen mit unserem Gewissen. Es ist eine Zeit, die auch die Moralität von Hubertusmessen hinterfragt. Die Humanität eher am Umgang mit Tieren messen will, denn am Umgang mit Mitmenschen. Die sich mit Abtreibung arrangiert hat und doch den Tod fürchtet. Die zugleich das Sterben verdrängt und den Abschied am offenen Sarg nicht auf sich nehmen mag. Mir soll keiner sagen, dass meine Kinder zu rohen Menschen erzogen wurden, weil sie solche Ängste nicht kennen. Nicht das Aufwachsen mit der Jagd ist das Problem, sondern die bequeme Lebenslüge, dass die Schöpfung einem Zeitgeist folgen soll, der tagtäglich ihre Regeln leugnet und im großen Stil zerstört, was Menschen heilig sein sollte. Die Hoffnung, dass auch unsere Urenkel noch jagen werden, wenn sie das wollen, gehört für mich dazu