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Volkssagen

WIE DIE HIRSCHE DAS RITTNER REVIER VERLASSEN

In alter Zeit hat es auf dem Ritten viele Hirsche gegeben, besonders zahlreich waren sie in der Gegend von Oberinn gegen den Sam hin; so heißt eine schön bewaldete niedere Bergkuppe oberhalb des genannten Dorfes. Daselbst hat man des öftern eine Hirschkuh gesehen, welche ganz “g’hill” und fromm war. Die Leute hatten das Tier überaus liebgewonnen und hielten es hoch in Ehren, als wäre es etwas übernatürliches. Eine zweite, so fromme und den Menschen zugetane Hirschkuh gab es nirgends mehr.

Da sei einmal ein wildfremder Jäger gekommen, niemand wußte woher, und habe das gute Tier geschossen. Wie sie es zerlegten, stießen sie auf ein Kitzchen von wunderbarer Färbung. Den Leuten erschien diese Tat als ein wahrer Frevel und sie konnten das gute Tier lange nicht vergessen. Infolge dieses Frevels, erzählt man, hätten alle Hirsche weitum die Gegend verlassen, und seither sei keiner mehr auf dem Ritten gesehen worden. Erst viel später siedelten sich am Ritten wieder einige Hirsche an.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 243

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DER GEBANNTE JÄGER

Vor vielen Jahren lebte auf dem Ritten ein Jäger, der mit wahrer Leidenschaft der Jagd ergeben war und an den Feiertagen gerade so jagte, wie unter der Woche.
Zur Strafe wurde er nach seinem Tode in einen Spielhahn verwandelt und auf die Seiser Alm hinübergebannt. Da wippt er oft durch die Luft, und an seinem Wippen erkennt man ihn. Schießt man auf den Spielhahn, so wird er wohl verwundet und ächzt wie ein Mensch, wippt aber wieder fort, denn sterben kann er nicht.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 214 f.

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DAS “HEXENBÖDELE” BEI LENGSTEIN am Ritten

Im Wald oberhalb von Lengstein und von diesem Ort nicht weit entfernt liegt das “Hexenbödele”, eine kleine Lichtung, in deren Mitte eine einzelne Lärche hoch aufragt. Diese Lärche ist mit einem auffälligen “Hexenbesen” – einer dichten Wucherung von Ästen und Zweigen – versehen und zudem mit einem Kruzifix geschmückt.
Hier trafen sich nächtlicherweile vor alten Zeiten oft und oft die Hexen der ganzen Umgegend und hielten mit dem Teufel wüste Gelage. Darum war das “Bödele” gemieden, und um viel Geld wären die Leute nicht zu bewegen gewesen, diesen Platz im Walde zur Nachtzeit aufzusuchen.
Nur einmal brüstete sich ein Bursche, daß er sich vor Teufel und Hexen nicht fürchte und deshalb ohne weiteres bereit sei, diesen Platz zu mitternächtlicher Zeit aufzusuchen. Eine Wette war bald abgeschlossen, und der kecke Bursche machte sich auf den Weg zum “Hexenbödele”.
Doch er kam nicht mehr zurück, und als man am darauffolgenden Tag ihn suchen ging, fand man ihn tot auf dem Bödele liegen. Die Hexen hatten ihn in den Boden hineingedrückt und gestampft und so getötet. Zum Gedächtnis an diesen auf so elende Weise Umgekommenen und auch zur künftigen Fernhaltung des bösen Hexenspukes vom “Bödele”, brachte man an der Lärche auf der Mitte des Platzes das Bild des Gekreuzigten an, der heute noch da hängt.

Quelle: Weber, P. Beda, Das Land Tirol, ein Handbuch für Reisende. 2. Band, Südtirol. S. 212

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DAS DURCHSCHOSSENE KREUZ

In der Heilig- Geist- Kirche in Kasern hängt ein von drei Kugeln durchbohrtes Kruzifix *), über das man sich folgende Legende erzählt:

Im Pinzgau war einst ein grosses Preisschießen angekündigt und ein Pustertaler Schütze , der am Wettbewerb teilnehmen wollte, probierte in seinem frevlerischen Übermut seine Treffsicherheit an einem Wegkreuz aus ,das am Brünnlasbichl unterm Tauernhaus bei Trinkstein stand. Die drei Probeschüsse durchschlugen genau die Herzgegend des Heilands. Im Salzburgerischen drüben errang der siegessichere Schütze mit Leichtigkeit den ersten Preis, einen großen, prächtigen Stier. Auf dem Heimweg kam er mit dem Stier am durchschossenen Kruzifix vorbei. Plötzlich wurde das Tier wild, der Pustertaler Schütze vermochte das rasende Tier nicht mehr zu halten, und der Stier spießte den Unglücklichen mit seinen Hörnern auf.
Einige Zeit später kamen Bauern an der Unglücksstelle vorbei und sahen den wildgewordenen Stier und den Mann, der tot auf der Erde lag. Das durchschossene Kreuz brachte man in die Heilig- Geist- Kirche. Der Pfarrherr versuchte immer wieder die Einschusslöcher von einem Schnitzler schließen zu lassen; doch vergeblich ; immer wieder brachen die Holzdübel von alleine heraus.
Heute noch wird das durchschossene Kreuz bei der jährlichen großen Prozession der Ahrner zur Kornmutter in Ehrenburg vorangetragen.
(gesammelt und aufgeschrieben von Steger Konrad)

Quelle: Copyright © Konrad Steger
nach mündlichen Erzählungen von AhrntalerInnen
Fink, Hans: Zur Sagenwelt des Ahrntales. In: Das Ahrntal. Heimatkundliche Beiträge. Sonderdruck “Der Schlern” Nr. 7/8 1978, S. 89- 96.
Bei uns erzählt man… Geschichten aus dem Ahrntal. Broschüre der Klasse 3E der MS St. Johann, 1989/90.

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WIE’S DEN WILDERERN GEHT

In Afers erzählen die alten Leute folgendes: Wenn einer gar so versessen ist aufs Wildern und er ist schon ein alter Mann und hat viel, viel Wild zusammengeschossen und fürchtet sich im Wald vor dem Teufel nicht, so geschieht ihm schon einmal etwas Wunderliches. Kann sein, er sieht einen Rehbock oder einen schönen Pfalzhahn und schießt darauf, aber das Tier fällt nicht, und er tut’s noch ein paarmal und weiß, daß der Stutzen gut ist und er noch nie gefehlt hat – das Tier steht aber fest und schaut ihn eindringlich an, und zuletzt fließt aus dem Büchsenlauf das Blut, soviel er vergossen hat sein Lebtag, das Tier rennt oder fliegt davon und bleibt heil und gesund … Dann hat der Wilderer, der alte, einen Tag, den er sein Leben nimmer vergessen kann!

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 193 f.

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DER BÄRENJÄGER IN PUTZACH

Im Seberstöckl zu Rein in Taufers ist ein Gemälde, welches eine Szene im wildromantischen Putzach darstellt. Auf einer Felskante steht ein Jäger einem aufgerichteten Bären gegenüber, und rechts klettert ein Bursche mit Gewehr herzu und will schon zum Schuß ansetzen. Darüber ist ein Muttergottesbild. Unten steht: Jakob Plankensteiner, Jager und Unterseber in Rain 1699.
Hierüber erzählen die Leute folgendes: Ein alter Seber, ein kühner Nirnrod vor dem Herrn und als solcher weitum bekannt, zog einstmals auf die Jagd. Er klettert eine Felswand hinan und steht oben auf schmaler Felskante plötzlich einem entsetzlichen Bären gegenüber, der sich bereits aufrichtet, den ungeladenen Besucher mit Umarmung zu begrüßen. Der Jäger sieht wohl, daß er zum Anlegen des Gewehres weder Raum noch Zeit hat, wirft daher den Stutzen fort und schickt sich an, mit dem Tier zu raufen. Zugleich ruft er seinem Sohn, der ihm zu Hilfe über die Felsen herüberklettert, zu, er solle ja das Schießen bleiben lassen, sonst könne er den falschen treffen.
Nachdem sodann beide, der Jäger und der Bär, sich eine Zeitlang fest umklammert gehalten, scheint beiden der Gedanke gekommen zu sein, daß diese Umarmung zu gefährlich werden könnte, und sie ließen beide zugleich los. Der Bär schaute den Jäger noch eine Weile an und zog sich dann in seine hinten liegenden Felsgemächer zurück; der Jäger aber, der ebenfalls froh war, dem andern so leicht entronnen zu sein, ließ ihn ungestört gehen.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 604 f.

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HEXEN ALS HASEN

Malettes ist ein unheimlicher Tummelplatz der Hexen, die jeden Pfinztag dorthin fahren. Einmal kam ein Jäger dorthin und schoß einen Hasen und steckte ihn in seinen jagdsack. Bald darauf kam ein großer Zug Hasen paarweise daher, voran ein Hase, der an einem roten Band ein “kumpfets Schellele” trug. Dieser fing an, wie ein Mensch zu reden und rief: “Langöhrl, wo bist du?” Der geschossene Hase rief aus dem Sacke: “Der Staudenuli hat mich im Sack.” Jetzt warf der Jäger entsetzt den Sack weg und eilte aus dem unheimlichen Revier. (Bei Mals.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 803, S. 469

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SALIGE ALS BESCHÜTZER DES WILDES

Die Saligen waren auch die Beschützerinnen des Wildes und den Jägern deshalb sehr gram. Wenn ein Reh oder eine Gemse oft schon zum Schusse stand, so kam plötzlich ein lauter und durchdringender Ruf aus dem Wald oder vom Berg herunter und verscheuchte das Opfer, dem Jäger das leere Nachsehen lassend.
Unweit des Schwarzsees hatte einmal ein Jäger auf ein junges Reh geschossen und folgte nun durch das Gebüsch der Spur des verwundeten Tieres. Er gelangte auf eine Waldlichtung, wo er das angeschossene Tier zu Füßen einer schönen blassen Saligen liegen fand, die gerade damit beschäftigt war, dem Reh die Wunde auszuwaschen und einen Verband von heilsamen Kräutern anzulegen.
Als der Jäger frech herankam und mit roher Faust sein Opfer ergreifen wollte da erhob sich die Salige mit zornfunkelnden Augen und sagte, ihm die scneeweiße Hand entgegenstreckend:
“Laß ab, laß ab –
der nächste Mond bescheint dein Grab!”
Und so war es auch. Noch ehe der Mond sich erneute, hatte die Kugel eines Wilderers dem Jäger sein Lebenslicht ausgeblasen.

Quelle: Meyer Martinus, Sagen-Kränzlein aus Tirol. 2. Auflage. Innsbruck 1884, S. 360 f.