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Nirgends wird so viel diskutiert wie über die Wildfütterung, hier ein Leitfaden für die Winterfütterung von Rot- und Rehwild

Gemeinsame Grundsätze „wiederkäuergerechter“ Winterfütterung

 

⇒ Sofern eine Winterfütterung von Rot- oder Rehwild an einem Standort waldbaulich vertretbar und jagdlich erwünscht ist, sind eine regelmäßige Fütterungsbetreuung und eine ununterbrochene Futtervorlage vom Fütterungsbeginn im Herbst bis zum Frühjahr zu gewährleisten (bis das Wild sich von der Fütterung löst – ausreichend Futterreserven für Spätwinter-Einbrüche sind vorzusehen; Erreichbarkeit während des gesamten Winters ist wichtig!). Medikamentenbeigabe bei der Wildfütterung ist verboten – Standards der Fütterungshygiene sind konsequent zu beachten! Keine Sommerfütterung!
⇒ Die Standortswahl für Schalenwild-Fütterungen ist mit dem Grundeigentümer bzw. mit dem Revierleiter abzustimmen, wobei insbesondere auf die Wildschadenanfälligkeit des Waldes (Lenkungseffekt der Fütterung zielorientiert nutzen), auf die Bedürfnisse des Wildes (z.B. Kleinklima) und auf die ausreichende Vermeidbarkeit von Störfaktoren zu achten ist (ausgeprägtes winterliches Ruhebedürfnis erfordert Lenkung von Freizeitaktivitäten).

Gerade bei strengen Winter mit viel Schnee muss dem Wild geholfen werden.

⇒ Futterbedarf: Im Sinne einer effizienten Wildschadensprophylaxe ist für ALLE zuziehen den Stücke gleichzeitig eine Sättigungsfütterung sicherzustellen – keine halbherzige Versorgung, sonst werden Wildschäden im „Warteraum“ provoziert (d.h. das vorgelegte Futter darf bis zur nächsten Futtervorlage vom Wild nicht zur Gänze aufgeäst werden). Bedarfswerte pro Tag (Trockensubstanz): Rehwild: 0,4 – 0,8 kg; Rotwild 2 – 4 kg.
⇒ Die Futtermittelwahl ist auf die Wildart (unterschiedliche Physiologie) und auf die Zielsetzung abzustimmen (Kap. 2 und 3). Hohe Einweißgehalte sind Ernährungsphysiologisch unnötig und eine zusätzliche Belastung für den Organismus, dessen Eiweißbedarf im Winter gering ist. Eiweiß-Überangebot simuliert eine „Sommersituation“ Wildschadensgefahr! Ein Eiweißgehalt der winterlichen Futterration von rund 8 – 12 % (Trockensubstanz) ist als optimal einzustufen
⇒ Kein abrupter Wechsel der Futtermittel während der Fütterungsperiode, weil das den Verdauungsablauf stark beeinträchtigt und in der Folge dem Wiederkäuer Probleme verursacht, wodurch Verbiss und Schälung provoziert werden können. Ist ein Wechsel von Futtermitteln unbedingt notwendig, hat ein kontinuierlicher, fließender Übergang stattzufinden (Empfehlung: sukzessive Umstellung im Verlauf von etwa 3 Wochen).
⇒ Heimische Futtermittel für die Winterfütterung von Reh- und Rotwild bevorzugen! Jedenfalls keine Futtermittelbestandteile von Ländern außerhalb Europas verwenden und keine gentechnisch veränderten Futtermittel ankaufen. Es ist für das Wohlbefinden des Schalenwildes zweifelsfrei nicht erforderlich, gentechnisch veränderte Futtermittel, weitgereiste Lecksteine vom Himalaya oder z.B. Soja oder Sesam aus Indien, dem Sudan oder Brasilien vorzulegen. Dadurch wird das positive Image von heimischem Wildbret als hochwertiges Nahrungsmittel aus nachhaltiger jagdlicher Nutzung unnötig in Frage gestellt.
⇒ Achtung – schädlich: Sämtliche Getreidearten und Körnerfrüchte sind bei separierter Vorlage für den Wiederkäuer schädlich – allen voran Mais und Weizen – weil sie vom Wild stark bevorzugt angenommen werden und bei übermäßiger Aufnahme Verdauungsstörungen bewirken (chronische oder akute Pansen-Übersäuerung). Das gilt besonders, wenn sie in gequetschter oder gar in geschroteter Form vorgelegt werden (oder gar in Form von Brotresten), weil sie dann noch schneller abgebaut werden (schaumige Gärung). Auch alle fein vermahlenen Futtermittel sind für das Verdauungssystem der Wildwiederkäuer problematisch. Das gilt ebenso für rohfaserreiche Pellets, wenn diese aus vermahlenem Heu gepresst werden (mangelhafte Pansenmotorik ist die Folge) – über die Struktureigenschaften solcher Pellets bringt ein Auflösen in Wasser rasch Aufschluss.
Wichtig: Wild zu füttern bedeutet stets, auch mehr erlegen zu müssen, wenn der Wildbestand nicht ansteigen und die Verbissbelastung nicht zunehmen soll. Denn fachgerechte Winterfütterung führt zu weniger Fallwild und erhöhtem Zuwachs. Außerdem kommt es zu verstärkter Bindung des Wildes an die Einstandsbereiche. Deshalb ist während der Jagdzeit dort mehr Jagddruck nötig, damit sich die Einstandsbereiche äsungsmäßig erholen können.

Empfehlungen für Rotwild

⇒ Wenn Rotwild schadensfrei überwintert werden kann, sollte die örtlich bewährte Vorgangsweise möglichst beibehalten werden. Denn jede Veränderung am Fütterungssystem bewirkt ein erhöhtes Schadrisiko.
⇒ Bei der Wahl des Fütterungsstandortes und der Futtermittel sind die zu erwartenden Wechselwirkungen mit Nachbarfütterungen und Nachbarrevieren zu berücksichtigen (großräumige Planung notwendig; stark unterschiedliche Attraktivität der Futtermittel kann
„Fütterungstourismus“ provozieren). Auch eine zeitliche Abstimmung der Futtervorlage (vor allem zu Beginn) ist vorteilhaft – Empfehlung: Koordination in einer Hegegemeinschaft.
Qualitativ gutes Heu als Grundfutter darf während der Fütterungsperiode zu keinem Zeitpunkt fehlen!  Heu vom ersten Schnitt eignet sich für die Rotwildfütterung im Winter (Schnittzeitpunkt VOR der Hochblüte der Gräser). Zu Beginn der Fütterungsperiode sowie zu Frühjahrsbeginn ist Heu vom 2. Schnitt bzw. Grummet vorteilhafter, um eine bessere Annahme durch das Rotwild zu erreichen. Soll das Wild möglichst wenig konzentriert bzw. wenig von der Fütterung abhängig gemacht werden und soll es eine ausreichend vorhandene Naturäsung gut ausnutzen, ist eine ausschließliche Heuvorlage zu empfehlen (in diesem Fall ist Erreichbarkeit von Wasser wichtig!).
⇒ Bei der Einlagerung bzw. beim Heueinkauf ist darauf zu achten, dass es eine Qualitäts Punktezahl von keinesfalls unter 12 aufweist; empfehlenswert ist eine Punktezahl von 16 bis 20 (Heubewertung mittels Sinnenprüfung, als Hilfe zur fachgerechten Heu- und Silagebeurteilung dienen die Bewertungstabellen.
⇒ Soll das Wild räumlich konzentriert oder von der Naturäsung abgelenkt werden, weil diese z.B. vorwiegend aus Baum-Leittrieben oder Baumrinden bestehen würde, sind zusätzlich zum Heu attraktivere Futtermittel notwendig. Eine effiziente räumliche Lenkungswirkung ist erzielbar mit Apfeltrester, gefolgt von Grünmaissilage und Grassilage. Auch im Frühjahr lässt sich das Rotwild bei Bedarf damit am längsten an der Fütterung binden (z.B. zur Vermeidung von Frühjahrsschälung in Übergangs-Einständen in Tallagen). Sofern sie keine Qualitätsmängel aufweisen (z.B. Schimmelbildung), sind diese drei Futtermittel, insbesondere in Kombination mit Heu, ernährungsphysiologisch als wertvoll einzustufen. Je weniger optimal die Qualität dieser Futtermittel ist, desto höher ist die Schäl- und Verbissgefahr!
⇒ Vorteilhaft ist das Vorhandensein von winterlich verfügbarer Naturäsung im Wintereinstandsbereich (Gräser, Zwergsträucher, Sträucher, Flechten, Verbiss-Baumarten, etc.), weil dadurch das Risiko für Wildschäden deutlich gesenkt werden kann. Andernfalls besteht bei auch lediglich kurzzeitigem Fernbleiben des Wildes von der Fütterung (schlechte Erreichbarkeit des Futters z.B. bei unerwarteten Störungseinflüssen oder bei extremen Witterungsverhältnissen) sofort ein stark erhöhtes Risiko für untragbare Schälschäden.

Empfehlungen für Rehwild:

⇒ Günstige Standorte für Rehwildfütterungen sind z.B. Randbereiche von Dickungen und Stangenhölzern mit gutem Ausblick (Altholz) und mit ausreichend Abstand zu Verjüngungsflächen. Vorteilhaft sind reich strukturiertes Gelände und Verfügbarkeit von Wasser in der Nähe des Einstandsbereiches, sofern nur Heu (wird aus Raufen mancherorts vom Rehwild nur ungern aufgenommen) oder andere Trockenfuttermittel vorgelegt werden.
⇒ Sofern ausschließlich Heu vorgelegt wird, ist ganz besonders auf beste Qualität zu achten (z.B. kräuterreiches Wiesenheu oder Luzerneheu). Der Rehwildpansen ist für die Verdauung von grobem Wiesenheu schlecht geeignet (z.B. vom verspäteten ersten Schnitt).
⇒ Rehwildfütterungen in Rotwildgebieten dürfen für Rotwild nicht zugänglich sein, um das Rotwild nicht unzweckmäßig zu lenken (wie z.B. auch Schwarzwildkirrungen). Außerdem ist das fütterungsbedingt höhere Abschusserfordernis beim Rehwild hinsichtlich der jagdlichen Konsequenzen für das Rotwild zu berücksichtigen (bewirkt mehr Störungen für Rotwild).
⇒ Ein winterliches „Anbinden“ von Rehwild in Lebensräumen, in denen es von Natur aus nur in geringen Dichten an klimatisch begünstigten Sonderstandorten verbleiben würde, sollte nur dort stattfinden, wo die damit verbundene zusätzliche Verbissbelastung waldbaulich tragbar ist (vor allem auch während der schneearmen Übergangszeiten im Herbst und Frühjahr). Wo hingegen die Verbissbelastung zu hoch ist, weil zum Beispiel Rotwild oder Gamswild im Jahresverlauf die gleichen Äsungsgrundlagen intensiv nutzt, sollte man das Rehwild während der Wintermonate in forstlich weniger problematische und klimatisch günstigere Gebiete abwandern lassen bzw. aktiv durch Winterfütterung dorthin lenken. Das bedeutet: In Regionen, wo es verbissbedingte Verjüngungsprobleme gibt, sollte in ÖBf Revieren zugunsten von Rotwild und / oder Gamswild vor allem auf folgenden Waldstand Orten auf ein „Anbinden“ des Rehwildes durch Winterfütterung verzichtet werden: Auf langsamwüchsigen Standorten mit überdurchschnittlich langen Verjüngungssicherungs Zeiträumen, und zwar vor allem in steileren Lagen im Schutzwald und insbesondere in (hoch-) montanen Gebieten mit erforderlicher Mischwaldverjüngung (z.B. mit besonders verbissbeliebten Laubbaumarten oder Tanne im Verjüngungsziel) – Jagdgesetze beachten!
⇒ Solche Bedingungen herrschen primär auf seicht- bis mittelgründigen Kalk- und Dolomitstandorten vor Ein Auflassen bzw. ein Verlegen von Rehwildfütterungen in andere Bereiche erfordert begleitende Maßnahmen, um überhöhte Fallwildverluste während der Umstellungsphase sowie daraus resultierende Konflikte und kritische Medienberichte möglichst zu vermeiden .

Zur Verlegung oder Auflassung von Schalenwild-Fütterungen:

⇒ Eine ausreichende jagdliche Reduktion des „Futterwildes“ VOR der Auflassung und eine professionelle Umlenkung nicht erlegter Stücke zu einem anderen Fütterungsstandort MIT Auflassung der Fütterung (z.B. mittels Jagddruck und Kirrketten) müssen vorbereitet und konsequent umgesetzt werden. Das gilt ganz besonders für Rotwild, weil im Regelfall von einer höheren Stückzahl pro Standort und von erhöhtem Schadensrisiko auszugehen ist.
⇒ Rechtzeitige Information allenfalls betroffener Nachbarreviere (v.a. bei Rotwild sowie im Gebirge teilweise auch bei Rehwild, sofern es eventuell in andere Reviere ausweicht)
⇒ Bei Bedarf Abstimmung mit Behörden und Jagdverband
⇒ Eventuell vorbereitende, erläuternde Information in Regionalmedien
⇒ Beseitigung sämtlicher Fütterungseinrichtungen – sonst bleiben Erwartungen auf neuerliche Futtervorlage bei vormals gefüttertem Wild sowie bei Jägern und Nichtjägern weiterhin bestehen – das birgt vermeidbares Schadensrisiko und Konfliktpotenzial.

Bericht: Bundesforste F. Völk