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Was wäre ohne den Wildschütz Jennerwein? Auch unter Jägerskreisen, erzählt man sich noch heute die Geschichte des Wilderers Jennerwein. Filme, Bücher Musikszenen und Theaterstücke verdeutlichen seine volkstümliche Popularität. Inzwischen wurden Fans Clubs und Schützenvereine “Jennerwein” gegründet, der Unsterbliche Wildschütz ist ein Symbol für die Freiheit, Vor allem der Schuss in den Rücken hat den Wilderer unsterblich gemacht. Der historische Jennerwein ist von klein auf nicht gut auf die Männer in Grün zu sprechen. 1860, als er gerademal zwölf Jahre alt ist, muss er mit ansehen, wie die königlich-bayerischen Jäger seinen Vater wegen Wilderei erschießen. Ein prägendes Erlebnis – Jennerwein hat von nun an sein Feindbild. Ein Jahrzehnt später zieht er in den deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Mit dabei ist auch sein gleichaltriger Jugendkamerad, der Jagdgehilfe Johann Josef Pföderl.

Als „ledigs Kind“ kam der Jennerwein Girgl 1848 in Holzkirchen zur Welt. Sein karges Brot verdiente er als Holzarbeiter rund um den Schliersee herum. Er war ein guter Zitherspieler, Gstanzlsänger, Schuhplattler – und vor allem war er ein guter Schütze. Einige seiner Zeitgenossen bezeichneten ihn aber auch als Weiberhelden, Raufbold und Wirtshausbruder, der öfter auf dem Tanzboden anzutreffen war, als bei einer geregelten Arbeit. Jeder wusste, dass Jennerwein ein Wildschütz war, aber beweisen konnte es ihm keiner. Er jagte zusammen mit seinem Freund Josef Pföder unerlaubt in königlichen Wäldern um den Schliersee im Grenzgebiet zwischen Bayern und Tirol. Die Mädchen sahen in ihm einen schneidigen und mutigen Burschen, der sich von niemandem unterdrücken ließ. Der Girgl hatte graue Augen und einen verwegen schiefsitzenden Schneidezahn. Wir vermuten jedoch, dass der wahre Grund für seine Attraktivität darin bestand, dass die Mädels ihn für einen verwegenen Draufgänger hielten, der sich allerhand traute! Der “Hennerer” war seine Stammwirtschaft, aber er besuchte auch gerne alle anderen Wirtschaften in der Schlierseer Gegend. Seine bevorzugten Freundinnen waren die Kellnerin “Rosl”, die beim Hennerer bediente, und die Sennerin “Agathe” von der Baumgarten-Alm die auch die Mutter seiner Tochter Rosl wurde.

Gedenktafel am Tatort: Jennerwein-Marterl in der Gratsenke zwischen Wasserspitz und Rinner Foto: Martin Scheib, September 2002.

Am 6. Nov. 1877 wurde er laut Gerichtsakten von seinem früheren Freund Johann Josef Pföderl auf einer Waldlichtung am Peißenberg erschossen. Seine Leiche fand man erst am 14. November. Die rechte große Zehe steckte im Abzug seines Gewehres und das Unterkiefer war zerschmettert. Ein Teil der Wange mit dem rechten Schnurrbart hing in den Ästen einer Fichte. Das Ganze sollte wohl nach einem Selbstmord aussehen. Doch dann fand man eine zusätzliche Schussverletzung im Rücken, die allerdings nicht tödlich gewesen sein konnte. Josef Pföderl wurde zum seinem Möder verurteilt. Als Tatmotiv kam Eifersucht in Frage, da der Jennerwein eine Frau geschwängert hatte, welche auch der Angeklagte liebte. Obwohl Pföderl immer wieder seine Unschuld beteuerte, und Verdachtsmomente auf den Jäger Simon Lechenauer hinwiesen, wurde Pföderl zu acht Monaten Gefängnis verurteilt, wobei ihm vier Monate Untersuchungshaft angerechnet wurden. Förster Mayr, versetzte ihn daraufhin in die Valepp, unterhalb des Spitzingsees.
Johann Josef Pföderl wurde gemieden, begann zu trinken, und starb nach einem eintägigen Krankenhausaufenthalt am 12. Juli 1889 in Tegernsee. Grässliche Wahnvorstellungen sollen ihn im Moment seines Todes gequält haben, ist überliefert. Er habe geschrien, dass ihn wegen des ungesühnten Mordes jetzt der Teufel hole. Einen Atemzug später war der Jagdgehilfe tot
Durch die mysteriöse Todesursache, Georg Jennerwein betreffend, und vor allem durch die Schussverletzung im Rücken, wurde der “Wildschütz Jennerwein” zu einer Legende, der gegen die Obrigkeit aufgemuckt hatte, und der bis zum heutigen Tag im Volk lebendig blieb. So mysteriös wie sein Tod, so mysteriös ist auch die letzte Ruhestätte des Wildschützen. Das heißt, bis heute weiß man nicht mit Sicherheit zu sagen, an welcher Stelle Georg Jennerwein wirklich begraben liegt.
1890 und 1900 wurde der Westenhofener Friedhof erweitert. Einflussreiche Gemeinderatsmitglieder wollten ihre Angehörigen nicht neben Jennerwein beerdigt wissen. Sie versetzten kurz entschlossen sein Grabkreuz an einen anderen Platz. Während des 2. Weltkrieges verwilderte Jennerweins Grab. 1947 bezahlte der “Peißl Wastl” die fünf Mark Aufstiftungsgebühr, damit das Grab erhalten blieb.
Die Mitglieder des Schlierachtaler Trachtenvereins übernahmen die Grabpflege. Als Anderl Hoffmann, der “Schlierachtaler Ehrenvorstand” 1961 starb, beteuerte er auf dem Sterbebett, dass sich in Jennerweins Grab nur der “Hax vom Beischä” befinde und sonst nichts. Beim Wildern ertappt schoss der Jäger Hartl Hörter dem “Wilderer Beischä” in die rechte Kniekehle. Die Schlagader wurde zerfetzt und das rechte Bein am Schenkel amputiert. Das Bein tauchte nirgends mehr auf.  Viel Wahres und noch mehr Unwahres wurde erzählt, so dass sich der Volksschriftsteller  Grab im Schliersee mit Inschrift:”Im stillen Gedenken. Hier wurde am 6. November 1877 der bayrische Wildschütz Georg Jennerwein von feiger Jägershand hinterrücks niedergestreckt.

Georg Stöger-Ostin, seines Zeichens entschloss, eine Geschichte über den  Wildschütz Jennerwein  zu schreiben, die auf Tatsachen beruhte. Ein schwieriges Unterfangen. Und Stögers Freund, der berühmte Kiem-Pauli, machte ihm denn auch wenig Mut: „Schilderst den Jennerwein als Wuidschützn und Martyrer mit an Heiligenschein, dann kriagst es mit den Jagern z’tun.
Stellst ihn als Lump und Wuiddiab hin, steig’n dir seine Anhänger auf’n Buckl.“ Doch Stöger-Ostin dachte gar nicht daran, dem Helden des Romans eine Aureole umzuhängen. Er stellte ihn aber auch nicht als „schlechten Kerl“ dar, sondern – wie er selbst sagte – „als einen von der sträflichen Leidenschaft des Wilderns umstrickten Menschen, bei dem es nicht wunderzunehmen brauchte, wenn er nicht daheim auf dem Strohsack den letzten Atemzug tat. An seinem 99. Todestag wurde eine gewilderte Gams an sein Grabkreuz gehängt. (Die Polizei hatte wohl erst am 100. Todestag mit Aktionen gerechnet.) Georg Jennerwein wird auch häufig mit Robin Hood verglichen. Die Wilderer-Faszination hält offenbar bis heute an. So wurde 2003 im Auftrag des Bayerischen Rundfunks das Leben Jennerweins neu verfilmt. Der Streifen stellte erstmals die harte soziale Realität und die Armut des Milieus um die “Männer der Wildnis” in den Vordergrund Ein stolzer Schütz in seinen schönsten Jahren, er wurde weggeputzt von dieser Erd. Man fand ihn erst am neunten Tage auf hohen Peißenberg bei Tegernsee.