Erziehen und Führen
Einen Jagdgebrauchshund vom Welpen bis zum fertigen Jagdgehilfen zu erziehen und auszubilden, erfordert viel Wissen und Einfühlungsvermögen in die Wesensart des Hundes, unerschütterliche Geduld und folgerichtig systematisches Vorgehen. Vom Abrichten eines Hundes wird viel gesprochen und manche Meinungen gehen weit auseinander. Jede Hunderasse hat andere Eigenschaften, darum sollte man sich schon beim anschaffen eines Hundes bewusst sein, für was der Hund hauptsächlich abgerichtet werden soll. Persönliche Eitelkeiten können in kürzester Zeit aus einem wesensfesten Jagdgebrauchshund ein recht verhätscheltes, aber trauriges Geschöpf machen. Und wenn aus dem süßen Welpen erst ein großer, arbeitsloser Jagdhund geworden ist, dann ist auch der Besitzer oft nicht mehr glücklich, dafür aber vielleicht das Tierheim um einen Insassen reicher.
Wer ein Jagdhund anschafft, dem soll bewusst sein, dass der Hund keine Spielgewährte ist, sondern in erster Linie auf Gehorsam, Disziplin und auf die Arbeit trainiert werden muss.
Der Hund ist das wahrscheinlich am leichtesten und am vielseitigsten zu dressierende Tier überhaupt. Dressur bedeutet nicht, dass der Hund brutal gezwungen wird, irgendetwas zu tun. Dressur bedeutet vielmehr, dass aus den natürlichen Trieben des Hundes für ihn neue Handlungen und Handlungsabläufe abgeleitet werden. Dies sollte möglichst spielerisch geschehen. Wie sicher diese andressierten Handlungen dann wiederholbar sind, hängt von den Belohnungen bei Erfüllen und den Strafen bei Nicht-Erfüllen der gewünschten Handlung ab. Letztere kommen erst hinzu, wenn klar ist, dass der Hund verstanden hat, was er tun soll. Im Prinzip überflüssige Dressurleistungen wie das Pfotegeben sollten allein auf Freiwilligkeit und ausreichender Belohnung basieren. Die an anderer Stelle beschriebene Dressur zum straßensicheren Hund muss dagegen mit sehr viel mehr Ernst und Strenge trainiert werden, denn sie ist lebenswichtig. Es ist ein Riesenunterschied, ob ein Hund etwas hinterläuft, (auch Spielverhalten), etwas trägt (z.B. einen Ball oder ein Jungtier) oder ob er etwas packt und die Beute – Endhaltung Schütteln ausführt. Ein Hund schüttelt nicht das Bringsel, und nicht beim Apportieren.
Beim Jagdhund ist das Schütteln beim Apport (“Beute ludern”) eine Todsünde. Eine Hündin, die ein Junges trägt, schüttelt es nicht. Das Schütteln der Beute ist die End- und Tötungshaltung, die nicht an Sozialpartnern vorgenommen wird. Deshalb soll man (nach neueren Erkenntnissen) einen Hund auch nicht strafen, indem man ihn im Nacken packt und schüttelt (sondern durch Griff über die Schnauze). Im Nacken packen und schütteln ist eine Morddrohung und im höchsten Maße unsoziales Verhalten. Zusätzlich wird der “Griff”, also die Stärke und Energik des Zubeißens, trainiert. Wer einmal gesehen hat, wie vorsichtig und zart ein Hund ein Lebewesen tragen kann in seinem Maul, dem wird spätestens jetzt klar, dass hier ernstgemeintes Beuteverhalten am Menschen trainiert wird. Der Hund muß, wie das Pferd, von klein auf den Eindruck vermittelt bekommen, der Mensch sei Gott.
Denn Hunde und Pferde, die uns an Körperkraft überlegen sind, beherrschen wir nur aufgrund einer sozialen Überlegenheit und weil sie nicht wissen, dass sie stärker sind. Deshalb dürfen sie nie die Erfahrung machen, dass sie stärker sind. Zeigen sie niemals die Angst vor dem Hund.
Auch in der Phase von der achten bis 13./14. Lebenswoche ist das Spielen mit Artgenossen und dem Menschen sehr wichtig. Der Welpe wird möglichst neuen Sinnesreizen und Eindrücken ausgesetzt, darf aber nicht überbelastet werden. Empfehlenswert ist die Teilnahme an einem Welpen- und Junghundekurs für Jagdhunde. Zucht- und Jagdgebrauchshundvereine bieten solche Kurse entsprechend auf die Altersabschnitte der Welpen und Junghunde abgestimmt an, wobei auch die Rasse und deren Verwendungszweck berücksichtigt werden. Mit der Übernahme des Welpen zu seinem neuen Besitzer beginnt nicht nur die Beziehungs- sondern auch die artgerechte Erziehungsarbeit. Eine artgerechte Disziplinierung, Autoritätsaufbau und strikte Einhaltung von Regeln und Tabus sind zu beachten. Vermieden werden sollte das sture Drillen auf Einzelhandlungen. Der Welpe wird nun auch schrittweise mit dem Jagdbetrieb konfrontiert, zum Beispiel mittels Beutefangspielen an der Reizangel, Futterschleppen oder Übungen an einem Rohrstück für Erdhunde. Wird die Sozialisierungsphase vom Hundeführer nicht richtig genutzt, sind Unsicherheit, ein übersteigertes Aggressionsverhalten, Verlassenheitsangst, Hemmungen des Lern- und Spielverhaltens und mangelnde Führigkeit programmiert.
Rangordnungsphase: Ab der 14. bis 20. Lebenswoche wird die Rangordnung festgelegt. Der Begriff Rangordnung besagt zunächst, dass es innerhalb einer Gruppe rangmäßig höher und niedriger stehende Individuen gibt, wobei sich aus der jeweiligen Ranghöhe des Einzelnen eine gewisse Ordnung ergibt. Das erzieherische Spiel mit einer gewissen Konsequenz bleibt natürlich auch in dieser Phase das elementare Erziehungselement. Hier werden die Voraussetzungen zur Akzeptanz des Hundeführers als Rudelchef und zur Gefolgschaftstreue geschaffen. Die Führigkeit zeigt sich ausschließlich in der Zusammenarbeit mit dem Hundeführer. Der Hund ist bereit, dem von ihm anerkannten Meuteführer „Mensch“ ohne Zwangseinwirkung zu dienen.
Rudelordnungsphase: Ist der Welpe 20 bis 28 Wochen alt, ist die Zeit des Lernens in der Praxis, die über das simulierte Spiel hinausgeht, gekommen. Gerade jetzt ist streng darauf zu achten, dass der Hund Gefolgschaftstreue und Unterordnung als normalen Lebenszuschnitt begreift.
Pubertätsphase: Von der 28. bis 36. Lebenswoche beginnt ein neuer Lebensabschnitt. In dieser Phase wird die Geduld des Hundeführers auf eine harte Probe gestellt. Alles bisher erlernte scheint der Hund auf einmal vergessen zu haben. Werden die Regeln, wie Konsequenz, artgerechte Disziplinierung und Tabuisierung, eingehalten, so wird diese Phase – genau wie bei menschlichen Jugendlichen – schnell ohne Schaden für ein späteres friedfertiges Miteinander überstanden. Nach 10 Monaten sollte die Erziehung abgeschlossen sein und die eigentliche Abrichtung des Jagdhundes intensiviert werden. Mit spätestens 30 Monaten ist diese abgeschlossen. Der Hund sollte nun zuverlässig und belastbar sein.
Ein Hund sollte nach Möglichkeit niemals die Erfahrung machen, einen Menschen zu beißen. Denn diese Erfahrung kann niemals wieder “ausradiert” werden, und bleibt danach im Erfahrungsrepertoire des Hundes bestehen.
Ängstliche Hunde dürfen nicht gedrängt werden, bis sie von selbst Kontakt aufnehmen.
Hunde, die aus unterschiedlichen Gründen beißen KÖNNTEN, bekommen eine Maulkorb aufgezogen.
Dadurch wird verhindert, dass der Hund lernt, sich durch Beißen oder andere aggressive Handlungen gegen Menschen wehren zu können und/oder wehren zu müssen.
Stattdessen soll er lernen, dass ihm, obwohl er hilflos ist, kein Leid zugefügt wird und er Vertrauen aufbauen kann.
Hat ein Hund erst mal einen Menschen gebissen, so kann diese Erfahrung nie wieder rückgängig gemacht werden